Beratung vs. Psychotherapie

gesund vs. krank



Psychotherapie richtet sich an Menschen mit krankheitswertigen Symptomen

Beratung richtet sich hingegen an Menschen zu einem bestimmten Thema


Was ist damit gemeint und wie kann Beratung von Psychotherapie abgegrenzt werden?


Diese Abgrenzung bringt auch die Frage mit sich, was ist "gesund" und was ist "krank"?

Ich möchte hier zu einer besseren Klarheit dieser Thematik beitragen. Dabei erhebe ich aber keinen Anspruch an Vollständigkeit.

Rechtlich ist dies folgendermassen geregelt, Heilbehandlung bei vorliegenden psychischen Symptomen mit Krankheitswert darf nur von Berufsgruppen mit einer Behandlungserlaubnis durchgeführt werden. Dazu zählen FachärztInnen, Klinische PsychologInnen, PsychotherapeutInnen und eingetragene MusiktherapeutInnen. In Deutschland noch Heilpraktiker für Psychotherapie. Diese sind dem Bundesministerium für Gesundheit unterstellt und dort in den jeweiligen Berufslisten eingetragen. Dies dient der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen. Die medikamentöse Behandlung darf nur von Medizinern und FachärztInnen für Psychiatrie durchgeführt werden. 


Lebens- und SozialberaterInnen und Coaches haben keine Behandlungserlaubnis, sie sind in der Wirtschaftskammern eingetragen und befugt, Beratungen zu spezifischen Themen anzubieten. 

 

Diagnostik ist ein bedeutender Schwerpunkt in der Heilbehandlung, da es sicherstellt, dass PatientInnen vor einer willkürlichen Behandlung geschützt werden und eine ausreichende Informiertheit im Krankheits- und Gesundungsprozess zur Verfügung gestellt werden kann. Die prozessbegleitete Diagnostik in der Psychotherapie stellt zudem sicher, dass die Behandlungsplanung stets nachvollziehbar und sinnvoll ist. Der hilfesuchende Mensch soll genau die Hilfestellung bekommen, die er aufgrund seiner Symptomatik und Lebenssituation benötigt, um zukünftig sein Leben wieder eigenständig gestalten zu können und die dazu nötige innerpsychische Stabilisierung erreichen kann. Eine Diagnose soll nicht abschrecken, sie ist ein Kommunikationssystem welches innere und äußere Zustände in eine geeignete sprachliche Formulierung zusammenfasst. Dadurch konnte auch die Anerkennung psychischer Leidenszustände auf der ganzen Welt verbessert werden. 


Beratung und Coaching sind keine Behandlung sondern eine Hilfestellung zu konkret umrissenen Lebensthemen wie z.B. Lernberatung, Mobbingberatung, Ernährungsberatung, Verbesserung der Stressbewältigung, Durchführung von Entspannungstrainings, Training zur Verbesserung mentaler Fähigkeiten, Laufbahnberatung, Berufsberatung, Erziehungsberatung, Trauerbegleitung, Paarberatung, Sexualberatung. Ein weiterer Bereich in der Beratung ist die Persönlichkeitsentwicklung und die allgemeine Gesundheitsförderung zu mehr Wohlgefühl und Lebensfreude. 

Beratung stößt an ihre Grenzen, wo tieferliegende innerpsychische Dynamiken die Umsetzung verschiedener Lösungsstrategien erschweren. Die Lösung innerpsychischer und äußerer Konflikte ist von der Verfügbarkeit psychischer struktureller Fähigkeiten abhängig. Der Aufbau dieser Fähigkeiten ist Fachgebiet der Psychotherapie. 

Je reifer und verfügbarer diese psychisch-strukturellen Fähigkeiten sind, umso besser kann eine Person ihr inneres Erleben wahrnehmen, sortieren, verstehen und beziehungserhaltend ausdrücken. Eigene Handlungen erhalten dadurch einen Sinnspendenden Charakter, das in Folge zu mehr Erfüllung führt. Gelingt der Aufbau psychischer Fähigkeiten, so werden Symptome überflüssig und treten in den Hintergrund. 

Angst tritt meist in erhöhtem Maße dort auf, wo strukturelle Fähigkeiten wenig verfügbar sind. Ebenso depressive Zustandsbilder, da diese eine Überforderung am deutlichsten sichtbar machen. 


In der Beratung werden gehäuft Methoden aus der Psychotherapie eingesetzt, diese werden aber nicht im psychotherapeutischen Sinne angewendet. Der Einsatz einer bestimmten Methode z.B. Imaginationen sagt noch nichts darüber aus, was damit genau erreicht werden soll. Mit der Anwendung einer Methode passiert immer irgendetwas. Eine Methode entfaltet ihren Wert dann, wenn man weiß wann, warum und wie man sie einsetzt. Viele Methoden können im psychotherapeutischen Prozess erst zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt eingesetzt werden. Deswegen sind in der

Psychotherapie weniger die Methoden im Vordergrund sonder vielmehr das Prozessgeschehen und die Haltung. Der Aufbau psychisch-struktureller Fähigkeiten setzt bestimmte Haltungen vom Behandler voraus, nur so kann durch dieses "Hilfs-Ich" eine Symptomreduktion, eine Verminderung des Leidens und mehr innerer Handlungsspielraum erreicht werden. Psychische Verletzungen sind oft innerhalb vertrauter Beziehungen passiert, der Aufbau von Vertrauen in der therapeutischen Beziehung ist daher die Grundlage für die weitere Arbeit. Aufrichtigkeit und Erkennen eigener Grenzen sind Voraussetzung um einen sicheren therapeutischen Rahmen bieten zu können. Der Behandler muss sozusagen bereit sein, mit dem Patienten und seinem Leiden mitzugehen, sich davon erreichen zu lassen und das Leid mit ihm aushalten. Auf diesem Boden und gehaltenem Raum kann dann erst das notwenige psychotherapeutische Fachwissen einfliessen und ihre Wirkung vollziehen. 

In der Beratung ist die beratende Person nicht im selben Sinne entscheidend, der Fokus liegt mehr auf das zu lösende Problem und der Suche nach geeigneten Lösungsstrategien. Dies ist auch der Grund, warum Beratungen deutlich kürzer angesetzt sind und oft nicht über 10  Sitzungen hinausgehen.

Supervision und Coaching sind eine spezielle Beratungsform, sie fokussieren mehr auf berufliche Problemstellungen. 


Nun möchte ich die oben dargestellten Unterscheidungen in einem Beispiel praktisch greifbarer machen. Ich gehe dabei auf das psychische Erleben von Schuldgefühlen ein. Ich gehe davon aus, dass sich jeder von uns schon mal schuldig gefühlt hat. 


Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Treffen mit einem guten Freund vereinbart den Sie schon lange nicht mehr gesehen haben. Einen Tag bevor dieses Treffen stattfindet bekommen Sie eine spontane Einladung zu einem Konzert, dass Sie immer schon mal besuchen wollten. Nun, wie gehen Sie vor? Nun haben Sie einen inneren Konflikt. 

Eine Möglichkeit ist, dass Sie ihren Freund anrufen und ihm von diesem Konflikt erzählen. Dann können Sie mit ihm gemeinsam klären wie Sie mit dieser Situation umgehen wollen.

Eine andere Möglichkeit ist, Sie gehen nicht zum Konzert weil Sie sich dem Freund gegenüber verpflichtet fühlen das Treffen morgen einzuhalten. 

Wieder eine andere Möglichkeit wäre, Sie senden dem Freund eine sms und teilen ihm mit, dass Sie morgen doch nicht können und schlagen einen neuen Termin für ein Treffen vor.

Was meinen Sie, welche Möglichkeit hinterlässt das geringste schlechte Gewissen? Welche Vorgehensweise das größte?

Dieser Konflikt könnte z.B. in einer Beratung geklärt werden. 


Nun stellen Sie sich vor, sie leiden unter chronischen Schuldgefühlen, immer wenn Sie etwas für sich tun wollen, bekommen Sie Schuldgefühle. Sie wissen nicht mal genau wem gegenüber. Sie fühlen sich schnell verantworlich, denken Sie müssen das tun, weil es auch so erwartet wird. Wenn Sie zu Hause sind, nachts wieder mal nicht schlafen können, spüren Sie ihre Unzufriedenheit und fragen sich wiedermal, warum kann ich nicht einfach mal nein sagen. Sie fühlen sich als Versager, verlieren immer mehr Lebensfreude und trauen sich immer weniger zu. Diese Art der Schuldgefühle sind nicht normal in dem Sinne, dass sie sich nicht erwachsen anfühlen. Hier schleichen sich alte Muster ein die einem das Leben im Hier und Jetzt schwer machen. Löst die Umsetzung eigener Bedürfnisse auch noch große Angst aus, z.B. Angst ich könnte nicht mehr gemocht werden, so liegen tiefgreifende Beziehungskonflikte vor, die ein authentisches Verhalten blockieren. Das Leben fühlt sich dadurch nicht frei an. Hier setzt Psychotherapie an, es liegt ein komplexeres Problem vor, dass nicht einfach wie im oberen Beispiel geklärt werden kann. Denn diese Symptomatik hat nicht mit einer speziellen Person oder Situation zu tun, sie tritt immer auf wenn es um eigene Bedürfnisse geht. 


Weiterführende Informationen zu den unterschiedlichen Berufsfeldern erhalten Sie bei den jeweiligen Fachverbänden:


Berufsverband österreichischer Psychologinnen und Psychologen: www.boep.or.at

Berufsverband österreichischer PsychotherapeutInnen: www.psychotherapie.at

Wirtschaftskammer - Sparte Lebens- und Sozialberatung: www.wko.at  oder www.lebensberater.at


Ob eine Person eine Behandlungserlaubnis besitzt, können Sie beim Bundesministerium nachsehen, in den Listen:

https://klinischepsychologie.ehealth.gv.at

http://psychotherapie.ehealth.gv.at